Datum:
6. April 2022 at 18:30


VON GÜNTHER HOLLER-SCHUSTER

New Digital Bohemians –
Über die neuen Bilder von Diana Deu

„In fünfzig Jahren wird eine Sammlung der Werbetricks und -slogans eine interessantere Lektüre bieten, als irgendetwas anderes, das in dieser Generation erschienen ist”
Marshall McLuhan, 1930

Was McLuhan 1930 bereits prognostizierte, sollte er 1951 mit dem Erscheinen seines ersten Buches „The Mechanical Bride. Folklore of Industrial Man” im Detail analysieren. Werbetexte, Comics und Fernsehen waren dabei Ziel seiner Untersuchungen. Er erkannte, wie bestimmend die Verbreitung trivialer Inhalte durch neue mediale Möglichkeiten und populärkulturelle Ausformungen in Zukunft sein wird. Der gleichzeitige Einsatz von Schrift und Bild ist für die Werbung grundlegend. Erst später, in der Pop-Art, wird darauf massiv auch innerhalb der Kunst reagiert. Für McLuhan war jedoch damals schon klar, dass sich hier sowohl auf formaler wie auch auf inhaltlicher Ebene ein völlig neuartiger Kanon von inhaltlichen Bezügen zu entwickeln beginnt. Nicht nur das, es wird auch zu einer grundlegenden Veränderung des Realitätsbewusstseins kommen.

Die Verbindung von Schrift und Bild zu einem narrativen Gesamtkonzept ist im Comic wie in der Werbung von jeher grundlegend. Innerhalb der avantgardistischen Kunstentwicklung hat Dada bereits in den 1910er-Jahren die Sloganhaftigkeit von Sprache in Form von Schrift als neue Ausdrucksform eingesetzt. Collage und Montage waren oft die formalen Träger dieser subversiv angelegten Resultate. Der Surrealismus, mit seiner intensiven Hinwendung zum Unbewussten und zum Traum, machte eine Verbindung von Ideen und Bildern zu nichtlinearen Erzählstrukturen möglich. Erst in den 1970er-Jahren, als die Pop-Art den Bereich der Trivialästhetik bereits zu einem integralen Bestandteil der Hochkultur gemacht hatte, definierte sich eine Bewegung, die „Lowbrow” genannt wurde und als Gegenteil von „Highbrow” (elitär, intellektuell) in Stellung gebracht wurde. Man ging dabei abseitigere Wege als in der Pop-Art. B-Movies, Underground Comics, Hot Rod, Surf, Psychedelic und immer wieder Musik von Punk bis Rock ‘n’ Roll waren die Referenzen, die plötzlich auch längst vergangene Bildstrukturen aus dem Bereich der Gebrauchsgrafik in die Gestaltung – meist Malerei und Plastik – einbezog. „Lowbrow” kann als eine Formulierung innerhalb der Subkultur angesehen werden, die ihrerseits Design, Mode, Film, Werbung, Fernsehen und Musik stark beeinflusst hat. Nicht umsonst begegnet man wesentlichen Werken dieses Genres in Form von Postern, T-Shirts, Schallplatten-Covers, Magazin- und Buchumschlägen etc. Man konnte hier nicht lange im Untergrund bleiben. Die Dynamiken des Mainstreams haben das Vokabular dieser als subversiv zur offiziellen Kunstwelt angelegten Parallelwelt absorbiert. Selbst der charismatische Pionier des Phänomens „Lowbrow”, Robert Williams, muss zugestehen: „I don’t see any new stuff coming out and breaking any rules. The antisocial stuff is gone. There’s no subversion left. The innocents came along and they tamed it down. Things are getting chronically cute and politically correct.” (1)

Man sieht angesichts dieser sehr knappen Darstellung, dass sich im Laufe des 20. Jahrhunderts im Schatten der Avantgarde eine weitere Ebene ausbildete, die einerseits die fehlende Subversivität der künstlerischen Avantgarde und deren elitären Intellektualismus als Ziel des Angriffes hatte. Ähnliches wollte die Avantgarde in ihrer ursprünglichen Bestimmung auch. Ein neuer Kanon ist entstanden. Man scheint sich von da an weniger auf die etablierten Geistesriesen des Abendlandes zu berufen, sondern die neuen maßgeblichen Größen sind u.a. Robert Crumb, Tex Avery oder die Leute von MAD-Magazin. Viele der neuen HeldInnen – von Betty Boop über Tarzan bis Batman – stammen auch aus Comics und wurden später zu Filmstars.

Wenn wir davon ausgehen, dass uns die Ästhetik und die Inhalte der Massenmedien und des Films nicht nur im Bereich der Kunst begegnen, sondern sich unser Bewusstsein im Allgemeinen verändert hat, so ist es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Menschen – KünstlerInnen und deren Publikum eingeschlossen – als Teil dieser medialen Realität erleben. Die privaten Geschichten und Inhalte nähern sich den medialen an. Heute hat man die volle Integration der Medien in den Alltag erreicht. 24 Stunden Nutzungsmöglichkeit und Omnipräsenz haben auch die traditionelle Unterscheidung zwischen privat und öffentlich aufgehoben. Ein massiver Wertewandel ist die Konsequenz daraus.

Völlig selbstverständlich wird heute, in einer Zeit, in der Pop als zentrales kulturelles Phänomen allgegenwärtiger Mainstream geworden ist, in der Kunst nicht mehr zwischen „High” und „Low” unterschieden. Subversivität ist für eine jüngere Generation von KünstlerInnen nicht mehr notwendigerweise der Antrieb für eine gelungene Kunstäußerung. Private Erlebnisse und Erfahrungen sind es, wovon sehr viele KünstlerInnen berichten. Nicht selten werden dabei in montageartigen Strukturen Bildelemente zueinander kombiniert und miteinander verschmolzen. Aus den Steinbrüchen der kulturellen Geschichte, wie aus dem reichhaltigen Angebot der eigenen Wirklichkeit, wird exzessiv entnommen und zu neuen Inhalten zusammengefügt. Mike Kelley beschreibt es treffend: „I can draw like a cartoonist, or like an advertisement, or I can draw like Pollock, if I want to. It’s another style…It’s just a lexicon…a visual language. I tend to keep to certain lexicons more for social or political reasons than I do for any other reason. I can shift lexicons, based on what I want to say…”(2)

Diana Deu geht in der künstlerischen Praxis inhaltlich von ihrer eigenen Realität bzw. einer unmittelbaren Umgebungswelt aus. Diese ist, den einleitenden Gedanken folgend, zu einem Konglomerat aus Medienrealität, Populär- und Subkultur geworden. Innerhalb einer globalen Netzwerkkultur haben sich schon dramatische Veränderungen vollzogen. Mit den neuen digitalen Möglichkeiten stellt man sich als User einer globalen Öffentlichkeit und bekommt seine konstruierte Identität auch entsprechend weitreichend kommentiert. Der Bereich „Social Media” bietet endlich die Chance, sich eine eigene Identität aufzubauen. Diese bleibt nicht auf das Netz beschränkt. Oft sind aber die Auswirkungen im realen Leben verheerend. Sich anderen zu präsentieren, ist besonders wichtig und trägt zur Wirkungsmacht der „Social Media” bei. Die permanente Selbstreflexion ist die Folge, weil letztendlich auch alles Private öffentlich diskutiert wird.

Diana Deu versucht in diesem Netz an Bedingungen die Frage nach Authentizität und nach der eigenen Identität zu stellen. Vieles ihrer Inspiration bezieht sie selbstverständlich auch aus den heute existenzbestimmenden Bereichen der Populärkultur. Sie operiert mit dem Alltäglichen, erkennt es nicht als das andere, von der Kunst geschiedene an, sondern macht es zu ihrem vornehmlichen Material und zum zentralen Thema. In dieser Weise setzt ihre Kunst sich der Realität auf umfassende Art aus. Die Titel ihrer Arbeiten unterstreichen das. Sie landet damit genau in dem Punkt, wo mediale Realität und tatsächliche Wirklichkeit aufeinandertreffen bzw. kaum mehr zu unterscheiden sind – „Young, fresh and sexy”, „Trust no bitch”, „Kiss my ass”. Schon McLuhan wusste in Anlehnung eines Werbespruches aus den 1930er-Jahren: „Ist der Whisky richtig, werden Männer wichtig?”(3) Er verwendete am Ende des Satzes ein Fragezeichen, das wie ein Augenzwinkern wirkt. Diana Deu setzt ihre Titel so, dass sie aus einer gewissen Klischeehaftigkeit verstanden werden können. Diese wirken jedoch im selben Moment entlarvend und verunsichern das Publikum. Vieles davon wirkt wie eine allgemeingültige Forderung, anderes zeugt von purer Ablehnung, von aggressivem Hass. Oft wird einfach die Ausweglosigkeit der „Kool Killers” offensichtlich und macht die Szene melancholisch. (4)

Wieder sind wir im Bereich der neuen Medien: Durch die Allgegenwärtigkeit von Information und die spontan einsetzbaren weitreichenden Möglichkeiten des gegenseitigen Austausches kommt es massiv zu Auseinandersetzungen mit zentralen sozialen Aspekten wie Genderfragen, Fragen nach Rollenbildern und Wertevorstellungen. Die eigenen Gefühle werden im Prinzip daran gemessen, was in Film und Fernsehen als emotional vorgegeben wird. Man bekommt dort mantraartig vorgebetet, wie das Leben zu sein hat – young, aktiv, sexy und immer glücklich. Eine Leistungsgesellschaft aber kämpft sich durch die eigenen Abgründe, nicht nur im Beruflichen, sondern auch im Privaten.

Diana Deu hat diese Gewinner, Mitläufer, Opfer und hart an sich arbeitenden jungen Menschen ins Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung gestellt. Sie versucht innerhalb dieses Kontexts eine entsprechende visuelle Sprache herauszubilden und findet diese in vergleichsweise antiquiert anmutenden Medien wie Malerei oder Zeichnung.

Das Ineinandergreifen von unterschiedlichen, scheinbar nicht zusammengehörenden Bildelementen lässt eine surreale Atmosphäre entstehen, die formal aber an die Montage, Collage bzw. an die Erzählstruktur von Comics erinnert. Das Bild bleibt nicht bei einem einzigen in Realzeit aufgenommenen Ereignis, sondern bekommt Vielschichtigkeit durch visuelle Gleichzeitigkeit. Es scheint hier ein Stilmittel des Films ganz selbstverständlich aufgegriffen zu sein. Auch dort werden oft die reale Ebene und die Gedanken- oder Traumebene gleichzeitig eingeblendet oder überlagert. Das technische Bild, von der Fotografie bis zum computergenerierten Bild, hat derlei Verdichtungen des visuellen Bereiches als integralen Bestandteil entwickelt und so neue Erzählstrukturen geschaffen. Heute, angesichts der vielzitierten Bilderflut wirkt dieses Phänomen auf das Bildbewusstsein innerhalb der klassischen Medien zurück. Deus Zeichnungen und Collagen gehen somit gleichsam von einer postmedialen Kondition aus, in der jedes Medium auf das andere beeinflussend wirkt – es gleichsam durchdringt. So sind ihre Bilder sowohl Dokumente der eigenen Realität als auch Spiegel der aktuellen visuellen Praxis, die sich nicht nur auf die Kunst speziell bezieht, sondern vielfältige Bezüge ins reale Leben herstellt. Man hat es hier ebenso mit verdichteten Filmen wie mit visuellen Pop-Songs zu tun. Street Art, Graffiti, Life Style und ein tagebuchartiger Subjektivismus spielen dabei genauso zentrale Rollen, wie der Duktus der Jugendkultur bzw. der Subkultur – „50 Jägermeister in 15 Minuten”. Waren es an der Wende zum 20. Jahrhundert noch müde AbsinthtrinkerInnen, die einsam in ihr Glas stierten und auf diese Weise ihr bohemienhaftes Wesen zum Ausdruck brachten, so sind es in Diana Deus Fall vielfältigere Indizien, die aus dem klassischen Bohemien oftmals einen fremdgesteuerten Konsumzombie gemacht haben. Die Identitätsprobleme, die bis in die eigene Existenz als Künstlerin reichen, kommen in den Bildern zum Ausdruck und sind letztlich Spiegel der neuen „Digital Bohemians.”(5)

(1) In: Jordan, Matt Dukes, Weirdo Deluxe – The World of Pop Surrealism & Lowbrow Art, San Francisco, 2005
(2) Kelley, Mike, in: Kat.: Mike Kelley – Missing Time, Kestner Gesellschaft, Hannover, 1995, S. 9
(3) McLuhan, Marshall, Die mechanische Braut – Volkskultur des industriellen Menschen, Amsterdam 1996, S. 81
(4) In Anlehnung an den Titel des Buches von Jean Baudrillard, „Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen”, Berlin 1978, ist der Begriff hier zweckentfremdet eingesetzt.
(5) Der Begriff „Digital Bohemian” ist 1995 erstmals belegt von Elisa Rose und Gary Danner („Station

Rose”).

  VON ANNE KATRIN FESSLE

Raufende Lackschichten

Diana Deu platziert kritische Herde auf und unter der Bildoberfläche – Ein Mittel der Dekonstruktion und der inhaltlichen Hinterfragung

Diana Deu will, dass auf ihren Leinwänden noch etwas passiert – im nachhinein. Wenn Lack mit Lack zu raufen beginnt oder auftapeziertes Papier von der Seite anpöbelt, bricht die Oberfläche auf, entstehen Risse, werden Schichten zu Tage befördert, die vorher unsichtbar und zugedeckt waren.

Deus Bilder sind nicht fertig. Sie arbeiten weiter. Sie entwickeln sich, ebenso wie ihre Protagonisten: Popkultur-Idole der 1950er und 1960er Jahre, deren spiegelnden Oberflächen sie Kratzer versetzt oder übernächtigte Teens und Twens, die sich Retro-Popkultur als Fashion-Accessoire überstülpen.

Mit Tusche, Lack und Bleistift, mit Acryl, Filzstift und Aquarell arbeitet Deu an der Vielschichtigkeit dieser Charaktere. Sie rekonstruiert grafisch, malerisch oder collagierend an den unterschiedlichsten Ebenenen dieser Selbstinzenierungen. Deu fertigt Porträts von popkulturellen Ikonen und jenen, die sich an deren Oberflächen orientieren, um dann zu fragen: Wie viel ist davon echt? Was steckt wirklich dahinter?

Malerei, Zeichnung, Schrift und Collage treffen auf der Leinwand im harmonischen Nebeneinander und in konkurrierender Überlappung zusammen. Dennoch agieren alle Elemente parallel zur Bildfläche, funktionieren additiv. Eine Annäherung an eine fremde Identität, die sich spielerisch zusammenfügt. Etwa so wie ein Puzzle von dem man nicht weiß, wieviele Teile es letztendlich besitzt. Dieses Zusammenstecken ähnelt ein wenig den Identitätsprofilen der Generation web 2.0 – wie etwa in MySpace oder Facebook, wo das soziale netzwerken ebenso zum Image-Tuning gehört, wie Fotos, Sprüche und Sound-Tapete. Dem Aufpolieren und Zurechtzimmern in parallelen Schichten, möchte Deu in der Vertikalen, in den Rissen Wahrheiten abringen. Ihr formales Aufbrechen von Oberflächen wirkt im Inhaltlichen fort: Arbeitet dort subtil und effektiv gegen den schönen Schein.

Deu bleibt bei all dem im Hintergrund – wie im Alltag hält sie sich raus, beobachtet und hört zu. Vor der Leinwand vermengen sich Gesichter und Geschichten mit Musik, die rund um die Uhr Deus Leben bestimmt. Sie heften sich an Songtexte und andere Zitate, die als Initial in die Titel – ihrer Bilder übergehen: „Sorry, Miss Stupid” oder „I get violent when I’m fucked up” (beide 2007). Die Annäherung an die fremden Gestalten, das Kratzen an deren ‚Dahinter’ war Deu aber irgendwann zu weit weg von ihr selbst. Über Bilder von ihren Freunden – Momentaufnahmen aus musikbestimmten, nächtlichen Streifzügen – näherte sie sich mehr und mehr dem Eigenen an. Bis nun in ihren jüngsten Bildern sie selbst zur Mitspielerin und auch Protagonistin ihrer Leinwandgeschichten wird.

Die distanzierte Beobachterin ist sie dabei aber geblieben. Nach wie vor setzt sie die Elemente – Motive aus Pop und Punk, aus geborgten Inszenierungen und Biografischem – impulsiv und spielerisch nebeneinander. Deu setzt die Schichten übereinander und weiß zwar wo etwas aufreißen wird, die Effekte sind aber auch für sie überraschend. Diese kontrollierte Unberechenbarkeit ihrer Technik trickst also auch Deu selbst aus und spuckt ihr Ebene für Ebene, Schicht für Schicht verschüttete und ignorierte Identitätsbrocken vor die Füße: Zur Überprüfung der eigenen Authentizität, zur Selbstbefragung.

„I get along” heißt eine dieser privateren Bilder, die sie nun auch mit eigenen Lyrics füttert. Ich komm schon klar, richtet sie aus, um für das, mit dem klar zu kommen ist, in Bild und Text ein Rezept zu offenbaren: „You’re better off, just havin’ a laugh-getting pissed-and forgetting all about it. Doch die pinkfarbenen Sprühlack-Lettern verschwimmen im gleichfarbigen Blümchendelirium. Zorniger und auch im Format wuchtiger hingegen „And you have killed me”. Dessen Motto breitet sich auf der Leinwand aus und konterkariert gemeinsam mit der von Gipsbinden gerahmten Mittelfinger-Gebärde das idyllische Bild von Zweisamkeit.

Deu hinterfragt auch ihr künstlerisches Selbstverständnis, ihre Identität als Künstlerin: „I am not an artist” so die spontane und wütende gesprayte Geste, deren Kritik in Richtung Kunstmarkt zielt.

Deus Bilder sind nicht fertig. Sie arbeiten weiter. Sie entwickeln sich, ebenso wie ihre Protagonisten: Popkultur-Idole der 1950er und 1960er Jahre, deren spiegelnden Oberflächen sie Kratzer versetzt oder übernächtigte Teens und Twens, die sich Retro-Popkultur als Fashion-Accessoire überstülpen.

Mit Tusche, Lack und Bleistift, mit Acryl, Filzstift und Aquarell arbeitet Deu an der Vielschichtigkeit dieser Charaktere. Sie rekonstruiert grafisch, malerisch oder collagierend an den unterschiedlichsten Ebenenen dieser Selbstinzenierungen. Deu fertigt Porträts von popkulturellen Ikonen und jenen, die sich an deren Oberflächen orientieren, um dann zu fragen: Wie viel ist davon echt? Was steckt wirklich dahinter?

Malerei, Zeichnung, Schrift und Collage treffen auf der Leinwand im harmonischen Nebeneinander und in konkurrierender Überlappung zusammen. Dennoch agieren alle Elemente parallel zur Bildfläche, funktionieren additiv. Eine Annäherung an eine fremde Identität, die sich spielerisch zusammenfügt. Etwa so wie ein Puzzle von dem man nicht weiß, wieviele Teile es letztendlich besitzt. Dieses Zusammenstecken ähnelt ein wenig den Identitätsprofilen der Generation web 2.0 – wie etwa in MySpace oder Facebook, wo das soziale netzwerken ebenso zum Image-Tuning gehört, wie Fotos, Sprüche und Sound-Tapete. Dem Aufpolieren und Zurechtzimmern in parallelen Schichten, möchte Deu in der Vertikalen, in den Rissen Wahrheiten abringen. Ihr formales Aufbrechen von Oberflächen wirkt im Inhaltlichen fort: Arbeitet dort subtil und effektiv gegen den schönen Schein.

Deu bleibt bei all dem im Hintergrund – wie im Alltag hält sie sich raus, beobachtet und hört zu. Vor der Leinwand vermengen sich Gesichter und Geschichten mit Musik, die rund um die Uhr Deus Leben bestimmt. Sie heften sich an Songtexte und andere Zitate, die als Initial in die Titel – ihrer Bilder übergehen: „Sorry, Miss Stupid” oder „I get violent when I’m fucked up” (beide 2007). Die Annäherung an die fremden Gestalten, das Kratzen an deren ‚Dahinter’ war Deu aber irgendwann zu weit weg von ihr selbst. Über Bilder von ihren Freunden – Momentaufnahmen aus musikbestimmten, nächtlichen Streifzügen – näherte sie sich mehr und mehr dem Eigenen an. Bis nun in ihren jüngsten Bildern sie selbst zur Mitspielerin und auch Protagonistin ihrer Leinwandgeschichten wird.

Die distanzierte Beobachterin ist sie dabei aber geblieben. Nach wie vor setzt sie die Elemente – Motive aus Pop und Punk, aus geborgten Inszenierungen und Biografischem – impulsiv und spielerisch nebeneinander. Deu setzt die Schichten übereinander und weiß zwar wo etwas aufreißen wird, die Effekte sind aber auch für sie überraschend. Diese kontrollierte Unberechenbarkeit ihrer Technik trickst also auch Deu selbst aus und spuckt ihr Ebene für Ebene, Schicht für Schicht verschüttete und ignorierte Identitätsbrocken vor die Füße: Zur Überprüfung der eigenen Authentizität, zur Selbstbefragung.

„I get along” heißt eine dieser privateren Bilder, die sie nun auch mit eigenen Lyrics füttert. Ich komm schon klar, richtet sie aus, um für das, mit dem klar zu kommen ist, in Bild und Text ein Rezept zu offenbaren: „You’re better off, just havin’ a laugh-getting pissed-and forgetting all about it. Doch die pinkfarbenen Sprühlack-Lettern verschwimmen im gleichfarbigen Blümchendelirium. Zorniger und auch im Format wuchtiger hingegen „And you have killed me”. Dessen Motto breitet sich auf der Leinwand aus und konterkariert gemeinsam mit der von Gipsbinden gerahmten Mittelfinger-Gebärde das idyllische Bild von Zweisamkeit.

Deu hinterfragt auch ihr künstlerisches Selbstverständnis, ihre Identität als Künstlerin: „I am not an artist” so die spontane und wütende gesprayte Geste, deren Kritik in Richtung Kunstmarkt zielt.

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